BUND OV Dossenheim

Frühjahr im Zeichen der Natur- und Umweltbildung

21. Mai 2023 | Lebensräume, Naturschutz, Vogelschutz, Amphibienschutz, Steinkauzschutz

„Man liebt nur, was man kennt, und man schützt nur, was man liebt.“ Dieses Credo von Konrad Lorenz, dem österreichischen Zoologen und mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Begründer der Verhaltensforschung, kennt sicherlich jeder, der im Bereich Natur- und Umweltbildung aktiv ist. Diesem Grundtenor folgend stand das Frühjahr für den BUND OV Dossenheim ganz im Sinne der Aufgabe, Kontakte zur Natur zu schaffen, die Faszination der Biodiversität zu vermitteln und Sensibilität für diese zu fördern. Gleich vier Veranstaltungen boten hierzu von Ende April bis Ende Mai gleichermaßen Möglichkeiten für Kinder und Erwachsene.

Anlegen eines Hirschkäfermeilers

Den Anfang machte unter dem Motto "Lebensraum für den Hirschkäfer schaffen" ein Workshop, bei dem wir gemeinsam mit zwanzig tatkräftigen Kindern und Jugendlichen, Mitgliedern der KjG Dossenheim, der ev. Kirchengemeinde Dossenheim sowie mit Unterstützung des Heidelberger Zoos auf unserer BUND-Streuobstwiese einen Hirschkäfermeiler angelegt haben. Angeleitet von unserem wissenschaftlichen Beirat, Diplom-Biologe Gunnar Hanebeck, wurde dazu mit vollem Einsatz eine 50 cm tiefe Grube ausgegraben und Eichenholzstämme darin senkrecht aufgestellt. Mit Hilfe von Pilzen und Mikroorganismen entsteht nun die passende Umgebung, in der sich die Hirschkäferlarven zwei bis sieben Jahre lang verborgen im Totholz von diesem ernähren und entwickeln können. Den Kindern und Jugendlichen war die Freude beim Arbeiten in und für die Natur wahrlich anzusehen.

Vogelstimmenspaziergang am Blütenweg

Tags darauf folgte mit dem Vogelstimmenspaziergang ein wahrer Klassiker der Natur- und Umweltbildung. Gemeinsam mit über 35 Vogelbegeisterten machte sich Michael Ziara auf, die Vogelwelt am Blütenweg im Natura 2000 Vogelschutzgebiet zu entdecken. Neben den bekannten Vertretern der Meisen-, Finken- und Spechtarten waren singende Zaunammern, Gartenrotschwänze, Bluthänflinge, Waldlaubänger sowie eine Klappergrasmücke zu hören und zu sehen.

Ziel der Exkursion war es, Zugänge zum Vogelbeobachten zu schaffen, Tipps zu vermitteln und Begeisterung zu wecken. Artenkenntnis, Schutzwürdig- und Bedürftigkeit spielten dabei gleichsam eine Rolle, wie der mittlerweile erwiesene positive Effekt, der das Vogelbeobachten auf das menschliche Wohlbefinden hat.

Zuletzt untersuchte eine Studie die Wirkung von Vogelfutterstationen vor Pflegeheimen. Nach drei Jahren wurde bei den Seniorinnen und Senioren, selbst bei den demenzkranken, festgestellt, dass sich Aufmerksamkeit und Gedächtnisleistung enorm gesteigert hatten. Die allgemeine Stimmung war besser, insgesamt schienen die alten Menschen aktiver und fitter geworden zu sein. Das Beobachten der Vögel, deren Beständigkeit und Geschäftigkeit hatte also einen messbaren positiven Effekt auf die Menschen. Naturerlebnisse, und seien sie auch noch so klein, sind demnach wichtig für unsere seelische Gesundheit. Eine Erkenntnis, die all diejenigen, die das Hobby bereits für sich entdeckt haben, kaum überraschen wird. Sie alle haben bereits die Erfahrung gemacht, wie bereichernd es ist, sich einen Teil der Wirklichkeit zu erschließen, den viele übersehen oder überhören.

Hat man den Zugang zum Vogelbeobachten gefunden, dann wird es „eher eine Lebensform als ein Hobby. Man tut es eigentlich immer. Man guckt stets nach Vögeln. Es ist eine Senkrechte in der Zeit. In dem Moment gibt es nichts Anderes.“ Mit diesen Worten, die diese Erfahrung eines jeden begeisterten Vogelbeobachters zusammenfassen, begann der Film Vogelperspektiven von Jörg Adolph, den wir Mitte Mai gemeinsam mit dem BUND Steinachtal im Rahmen einer Sonderfilmvorführung mit Publikumsgespräch im Olympia-Kino in Leutershausen veranstalteten.

Sondervorführung des Kinofilm Vogelperspektiven

Der Film Vogelperspektiven ist eine intensive Verschmelzung von Dokumentar- und Naturfilm, der die Augen für die Schönheit der Vögel und deren Beobachtung betont. Der Film verbleibt jedoch nicht auf dieser deskriptiven Ebene, sondern blickt, indem er den Ornithologen Dr. Norbert Schäffer, Vorsitzender des Landesbunds für Vogel- und Naturschutz in Bayern (LBV) bei seiner Arbeit begleitet, hinter die Kulissen. So sensibilisiert der Film auch für die vielfältige und dabei manchmal auch sehr mühsame Arbeit im Natur- und Umweltschutz. Dabei plädiert Schäffer für einen längst überfälligen Perspektivwechsel, wenn er bei seiner Arbeit die Frage stellt, warum sich Naturschützerinnen und Naturschützer immer wieder dafür rechtfertigen müssen, sich für den Erhalt der verbliebenen 10% einer Art einzusetzen, die Zerstörung der 90% durch Andere aber meist hingenommen werde. Für diesen Perspektivwechsel und einen effektiven Artenschutz brauche es die Zusammenarbeit von Politik, Landwirtschaft und Naturschutz.

Das Spektrum von Faszination und Schutzbedürfnis diskutierten im Anschluss an den Film gemeinsam mit dem Publikum fünf regionale Akteure, namentlich der Naturfilmer Hartmut Idler, der Regionalkoordinator Ornithologische Gesellschaft Baden-Württemberg (OGBW) und Koordinator Ornithologische Arbeitsgemeinschaft (OAG) Armin Konrad, der ehemalige Bundesligaspieler der Rollstuhlbasketballer der SGK Rolling Chocolate Heidelberg und Kontributor bei ornitho.de Johannes Ernst sowie die BUND Vorsitzenden Jochen Schwarz und Michael Ziara. Kernelement sei, so die Übereinstimmung aller, Natur- und Umweltbildung, die insbesondere über emotionale Zugänge Kindern, Jugendlichen aber auch Erwachsenen Zugänge zur Natur und zum Naturerleben ermöglichen müsse, wobei den Bildungsplänen eine institutionelle Schlüsselrolle zukomme.

Die mit über 120 Personen im fast ausverkauften Kino sehr gut besuchte Veranstaltung, brachte viele Vogel- und Naturbegeisterte, ehren- und hauptamtlich im Naturschutz tätige Personen aus der ganzen Region zusammen, die sich und ihre jeweilige Arbeit schätzen. „Man sieht an diesem Abend, wie es auch im Film zu hören war, dass die Themen in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind“, so fasste Johannes Ernst die Stimmung treffend zusammen.

Amphibienexkursion im Steinbruch Leferenz

Den Abschluss der Veranstaltungsreihe machte Uwe Somplatzki, Mitvorsitzender vom BUND Hemsbach-Laudenbach, auf einer Exkursion im Steinbruch Leferenz über die Situation unserer Amphibien in der Region, den allgemeinen Artenrückgang, aktuelle Bedrohungen und über aktive Naturschutzarbeit zum Erhalt unserer stark bedrohten Amphibienpopulationen informierte. Unter dem Motto „Kröten haben keine Lobby“ weckte er mit Nachdruck und viel didaktischem Anschauungsmaterial, darunter sowohl detailgetreue Modelle als auch lebende Tiere, bei den über 20 Interessierten Begeisterung für eine durch Klimawandel, Insektenrückgang, Lebensraumverlust und Zersiedelung extrem gefährdeten Tiere. Von 21 Amphibienarten, die es in Deutschland gibt, ist jede zweite Art bestandsgefährdet. Die Frage, was wir zu einer Trendumkehr beitragen können und auch müssen, um unsere Amphibien zu erhalten, nimmt uns letztlich alle, insbesondere die Politik, in die ethische Pflicht. Denn eines ist klar: Sind Amphibienarten erst einmal lokal, regional und nicht zuletzt überall einmal verschwunden, ist es zu spät.

Daher ist es jetzt an der Zeit, konkret und effizient zu handeln, um lokale Populationen zu erhalten und die Zahl der gelungenen Metamorphosen zu erhöhen, dabei gleichzeitig aber auch die Zeitkontingente der Ehrenamtlichen effektiv zu nutzen. Immer deutlicher stellt sich heraus, dass der Einsatz von Edelstahlwannen und das Sammeln von Regenwasser, insbesondere bei den Artenschutzprojekten für die spätlaichenden Amphibienarten Gelbbauchunke und Wechselkröte, die in besonderem Maße von sich häufenden Hitze- und Trockenphasen betroffen sind, zwei solch pragmatische Lösungen darstellen. Seit 2021 setzen wir beim Amphibienschutz auf dieses System und beobachten zunehmende Erfolge. Daher haben wir am vergangenen Samstag bei einem kleinen Arbeitseinsatz ein defektes Kleinstgewässer im Eingangsbereich des Steinbruchs durch eine weitere Edelstahlwanne ersetzt.

Livestream aus dem Turmfalkennistkasten und Fledermausexkursion durch den Augustenbühl

Der Livestream aus dem Turmfalkennistkasten der ev. Kirche ermöglicht in hoher Bild- und Tonqualität zeitlich flexibel und von zu Hause aus Einblicke in das Brutgeschehen. Sie finden die Webcam unter https://dossenheim.bund.net/ Ein gemeinsames Entdecken mit der Familie lohnt sich!

Die nächste Exkursion des BUND Dossenheim findet am 8. Juli um 21 Uhr im Augustenbühl statt. Im Fokus stehen dann die Fledermäuse, deren faszinierende Lebens- und Jagdweisen Gunnar Hanebeck den Interessierten näher bringen wird. Dabei vermittelt er wissenswerte Fakten und Erstaunliches über das faszinierende Verhalten der unterschiedlichen Fledermausarten. Mithilfe von Bat-Detektoren können Laute hörbar gemacht werden, die normalerweise für das menschliche Gehör nicht wahrnehmbar sind.

Im Zentrum stehen dabei die Ergebnisse, die Hanebeck bei einer Untersuchung der Wertigkeit des Gebietes für Fledermäuse mittels akustischer Erfassungen im Rahmen unseres Einsatzes für den Erhalt des Augustenbühls gewann. Hierfür wurde im Mai 2021 ein Fledermausdetektor, genauer ein Batcorder in der Waldbox-Erweiterung, für drei Wochen an einem Standort im Augustenbühl exponiert. Das Gerät zeichnet automatisch sämtliche Fledermausrufe auf. Zusätzlich erfolgen seit Mai 2021 Transekt-Begehungen durch das Gebiet. Auch hierbei werden Fledermausrufe mit einem Fledermausdetektor, genauer einem Echometer Touch Pro, aufgezeichnet. Mit Hilfe eines Computerprogramms konnten die aufgenommen Rufe anschließend artspezifisch bestimmt werden. Dabei wurden in diesem Zeitraum rund 8.000 Fledermausrufe aufgezeichnet. Die anschließende Durchsicht der Rufe ergab folgende Arten bzw. Artengruppen:

  • Zwergfledermaus
  • Breitflügelfledermaus
  • Graues Langohr/ Braunes Langohr (akustisch nicht zu unterscheidendes Artenpaar)
  • einzelne Rufe aus der Gattung Myotis (Hinweis auf Kleine Bartfledermaus/Brandtfledermaus)
  • Mückenfledermaus
  • Kleiner Abendsegler
  • Großer Abendsegler

Dabei war die Zwergfledermaus war mit rd. 85% der Rufaufnahmen die häufigste Fledermaus im Gebiet. Das frühe Auftreten der Art direkt nach Sonnenuntergang deutet auf eine Wochenstube in der Nähe hin. 2019 wurde eine Wochenstube mit mindestens 10 Weibchen im Dossenheimer Norden im Oberen Burggarten nachgewiesen. In diesem Jahr konnte im Rebgarten ein Quartier von über 50 Tieren dokumentiert werden.

Falls Sie Hinweise auf weitere Fledermausquartiere haben, können Sie sich an den Fledermauskundler Gunnar Hanebeck unter der E-Mail-Adresse fledermaus.dossenheim@gmx.de oder telefonisch unter 06221/7253875 wenden. Nach Absprache kann ein Vorort-Termin vereinbart werden, um das Quartier zu beurteilen und ggf. die Fledermausart bestimmen zu können.

Wann: 8. Juli 2023, 21 Uhr

Treffpunkt: Ecke Korngasse/Am Mantelbach

Anmeldungen an m.ziara(at)web.de

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