BUND OV Dossenheim

Vorfrühling am Ölberg

13. März 2024

Anfang März fand unsere Spechtexkursion statt. 40 Interessierte machten sich am frühen Morgen unter Leitung von Michael Ziara auf den Weg in den Dossenheimer Wald, um im Schutzgebietsnetzwerk von Natura 2000 Vogelschutz-, FFH- und Naturschutzgebiet Spechte bei der Balz zu erleben. 

Spechtexkursion am Ölberg  (Patricia Reister)

Bereits zu Beginn machte der Grünspecht mit seinem charakteristischen Gelächter auf sich aufmerksam. Die Art, die eine Kulturlandschaft mit Streuobstbeständen, lichten sonnigen Waldrändern mit hohem Laubbaumanteil und kurzrasigen Flächen, auf denen sie nach Ameisen sucht, benötigt, war auch im Verlauf der Exkursion immer wieder vom nahegelegenen Offenland zu hören und schließlich in den Baumkronen des Waldrands zu beobachten. Auch der Buntspecht, unsere häufigste Spechtart, zeigte sich auf den ersten Metern. Etwas komplizierter verhielt es sich mit dem für die Ausweisung zum Vogelschutzgebiet relevanten Mittelspecht, der auf alte Eichenbestände angewiesen ist, da er nur an rauer Borke Halt findet. Zunächst ertönte nur das Quäken des Mittelspechts, das während der Balzzeit von Februar bis April ein sicheres Indiz seiner Anwesenheit ist. Später zeigte er sich auch im Profil am Baumstamm. Besonders eindrücklich waren dabei die charakteristischen Verfolgungsjagden durch die Baumwipfel, die Teil der eher aggressiven Balz der Spechte sind. 

Akustisch machte auch der Schwarzspecht, die größte heimische Spechtart, mit der typischen Abfolge von Flug- und Sitzrufen auf sich aufmerksam. Die zu vernehmenden Rufe der Spechte zeugten von der Balzstimmung im Vorfrühling. Gerade das ausdauernde Trommeln, vielleicht die auffälligste Balzhandlung der Spechte, war ein eindeutiges Zeichen, dass die relativ lange dauernde Spechtbalz bereits voll im Gange ist. Die Botschaft des Trommelns kommt der des Vogelgesangs nahe. Es soll also Partner anlocken, diese stimulieren und zugleich das Revier markieren. Bei den Spechten trommeln beide Partner, wenngleich die Weibchen seltener und kürzer trommeln. Zum Trommeln benutzen Spechte Holzteile mit besonders guten Resonanzeigenschaften wie abgestorbene Äste, die idealerweise leicht hohl sind und sich weit oben im Baum befinden, um eine besonders gute weit hörbar zu sein. Gute Trommelbäume sind meist rar und daher ein wesentlicher Bestandteil des Spechtreviers. Das Trommeln lässt sich dabei nach Dauer, Schlagfrequenz und Lautstärke den einzelnen Arten zuordnen. Denn während Schwarzspechte lange Trommelreihen von durchschnittlich 2,5 Sekunden Länge und 43 Schlägen erzeugen, trommeln Buntspechte nur mit 10 Schlägen 0,6 Sekunden lang. 

Um zu trommeln, aber auch um Holz bearbeiten zu können, besitzen Spechte besondere anatomische Eigenschaften, die es ihnen erlauben, die gewaltigen auf den Körper wirkenden Kräfte – die 1200-fache Erdbeschleunigung – abzufedern. Der Übergang vom Schnabel zum Schädel ist mit einer Art „Dämpfungssystem“ versehen. So besteht der Vorderschädel beispielsweise aus schwammartigen Knochen und der Unterschnabel ist etwas länger, weshalb er die Aufprallenergie nicht an den Hirnschädel weiterleitet, sondern über die Wirbelsäule und die Rippen an den Baumstamm ableitet. Eine dickere Schädeldecke, eine besonders feste äußere Hirnhaut, fast vollständig verknöcherte Augenhöhle, starke Nacken- und Kiefernmuskeln und ein drittes Augenlied wirken ebenfalls schützend. So ist der ganze Körper ein regelrechter Stoßdämpfer, der es dem Schwarzspecht ermöglicht, am Tag etwa 12.000 Stöße auf Holz auszuüben. 

Neben mehreren Spechtarten waren aber auch die vielen Spuren der Spechte im Wald zu sehen. Angefangene und fertige Höhlen von Mittel-, Bunt- und Grünspecht, Hackspuren, bei denen zum Nahrungserwerb die Rinde partiell oder auch großflächiger entfernt wird, sowie Spechtschmieden, in denen Buntspechte Nüsse oder Tannenzapfen gezielt zur leichteren Bearbeitung einklemmen, wurden gemeinsam entdeckt. Sie alle schärften den Blick und zeigten, welch spannende Klein- und Kleinstrukturen Spechte im Ökosystem Wald schaffen. Schnell war somit klar, welch große Bedeutung sie haben. Allein den Spechthöhlen kommt ein großer Stellenwert zu. Rund 40 Vogelarten von Meisen bis Käuze und etwa 20 Säugetierarten wie Mäuse, Fledermäuse, Bliche wie Gartenschläfer, Marder und sogar die Wildkatze profitieren von ihnen. Bei den Insekten sind es sogar mehrere hundert Arten. Sie dienen dabei als Aufzuchtsstätte, Winterquartier, Vorratslager oder Schlafplatz bei Tag und Nacht. Zwar gibt es neben Spechthöhlen auch Höhlen, die durch Fäulnis entstehen, doch sind diese mit Ausnahme von Nationalparks und echten Urwäldern sehr viel seltener. In Wirtschaftswäldern, zu denen in Europa etwa 95 % aller Wälder zählen, machen Spechthöhlen 60-72 % der Gesamtzahl aus. Damit tragen sie maßgeblich zur Biodiversität bei. 

Den Spechten selbst bietet eine selbst gezimmerte Höhle viele Vorteile bei der Jungenaufzucht: So wirkt sich die Windruhe im Innern positiv auf den Wärmehaushalt der Jungen aus, da sie Verdunstungskälte verhindert. Zusätzlich bietet sie Schutz vor Bodenfeinden wie Katzen oder Füchsen, Mardern und Habichten. So liegt der durchschnittliche Bruterfolg bei 80-90 %, was im Vergleich zu den Freibrütern mit nur 45 % fast einer Verdoppelung gleichkommt. Die Maße der Höhlen sind dabei je nach Spechtart unterschiedlich und reichen von 10 cm beim Kleinspecht bis hin zu einer Tiefe von 55 cm beim Schwarzspecht. Während Klein- und Mittelspechte fast jedes Jahr neue Höhlen bauen, nutzen Buntspechte bei ausreichendem Angebot bestehende Höhlen und Schwarzspechte legen neue Höhlen über einen Zeitraum von fünf und mehr Jahren an. Nach Fertigstellung werden sie sogar generationenübergreifend über Jahrzehnte genutzt. 

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