Schon längst ist zwar bekannt, dass sich die Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten rapide verringert, doch war bislang eine klare Bezifferung nicht möglich. Ihr quantifiziertes Ergebnis lautet: In Europa ist ein Fünftel aller Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht – und damit deutlich mehr Spezies als der Weltbiodiversitätsrat noch 2019 in seinem jüngsten globalen Artenzensus beschrieb.
Im Rahmen ihrer Studie untersuchten sie 14 669 Tier- und Pflanzenarten an Land und im Wasser. Gemeinsam ist diesen Arten, dass sie Ende 2020 auf der Roten Liste für Europa standen. Damit hat das Team zirka zehn Prozent aller auf der Roten Liste aufgeführten Spezies erfasst. Die Analyse ergab nun, dass rund 19 Prozent, also 2839 Arten, vom Aussterben bedroht, stark gefährdet oder gefährdet sind. 125 Arten gelten bereits jetzt als ausgestorben, regional ausgestorben oder möglicherweise ausgestorben. Unter den gefährdeten Arten erkannte man Unterschiede. So fiel auf, dass allein die Anzahl der Pflanzenarten mit 27 Prozent vom Aussterben bedrohter Spezies besonders hoch ist, ebenso bei Wirbellosen (24 %) und bei Wirbeltieren (18%). Gefährdet seien zudem 24 Prozent der Wirbellosen und 18 Prozent der Wirbeltiere. Auch weltweit liege die Zahl der gefährdeten Arten mit zwei Millionen etwa doppelt so hoch, wie noch 2019 angenommen. Damit zeige die Studie, „was auf dem Spiel steht – das Überleben vieler Arten, die auch wir zum Überleben brauchen“, so Matthias Glaubrecht, Professor für Biodiversität an der Universität Hamburg. Damit belege die Studie für ihn auf erschreckende Weise wie dramatisch sich die Biodiversitätskrise zuspitze. „Wenn sich hier [in Europa] die Situation schon derart dramatisch darstellt, bedeutet das, dass sich die Biodiversitätskrise in anderen, weitaus artenreicheren Regionen sehr wahrscheinlich noch deutlich brisanter darstellt – insbesondere in den nach wie vor unzureichend erforschten Tropengebieten, etwa in Asien und Afrika“, so Glaubrecht.
Gleichrangigkeit von Biodiversitätskrise und Klimakrise
Das so klare wie erschreckende nun veröffentlichte Ergebnis nimmt die Politik, Wirtschaft und uns als Gesamtgesellschaft abermals in die Verantwortung die Biodiversitätskrise gleichberechtigt neben der Klimakrise zu betrachten und gleichermaßen konsequent für Arten- und Klimaschutz einzustehen. Ein gegenseitiges Ausspielen ist daher nicht zeitgemäß, zumal Deutschland in Sachen Naturschutz durchaus erheblichen Nachholbedarf hat, was eine vergleichende Studie im Sommer offenbarte. Von dem Ziel der UN-Biodiversitätskonferenz, bis 2030 30 Prozent der Landes- und Meeresflächen als Naturschutzgebiete auszuweisen, hinkt Deutschland mit gerade einmal 0,6 Prozent besonders streng geschützten Gebieten gewaltig hinterher - und ist in der EU sogar fast das Schlusslicht der 27 Staaten. Nur Belgien (0,1 Prozent) und Dänemark (0,2 Prozent) schneiden demnach schlechter ab. Zu den streng geschützten Gebieten zählen in Deutschland etwa die Nationalparks Bayerischer Wald, Schwarzwald, Sächsische Schweiz, Unteres Odertal, Eifel und die Wattenmeer-Nationalparks. Die vielen verschiedenen übrigen Schutzgebieten wie Naturparks, NATURA 2000 Vogelschutz- und FFH-Gebiete, Biosphärenreservate und Nationalparks haben verschiedene Ziele und unterschiedlich strenge Vorgaben, die teilweise nicht eingehalten werden. So laufen gegen Deutschland bereits Vertragsverletzungsverfahren der EU, da die Vorgaben zu Natura-2000-Gebieten nicht eingehalten werden.
Artenschutz beim BUND Dossenheim
Für uns als BUND Dossenheim sind Klimakrise und Biodiversitätskrise gleichrangig. Entsprechend stellen ihr jeweiliger Schutz gleichrangige Ziele für uns dar, was sich in unserer lokalen Verbandsarbeit niederschlagt. So ist beispielsweise der Einsatz für den Erhalt des Augustenbühls als Kaltluftentstehungsgebiet und mit hochwertigen Biotopen, Biotopverbundstrukturen und wertvollem Boden gleichermaßen Arten-, Natur- und Umweltschutz. Mit unseren Artenschutzprojekten zu den spätlaichenden Amphibien Gelbbauchunke und Wechselkröte, den Fledermäusen und – auf regionaler Ebene – zum Steinkauz setzen wir uns für mehrere gefährdete Arten ein. Darüber hinaus leisten wir – frei nach dem Credo „Man liebt nur, was man kennt, und man schützt nur, was man liebt.“, von Konrad Lorenz mit unseren Exkursions- und Veranstaltungsprogrammen einen aktiven Beitrag zur Natur- und Umweltbildung. Hier nehmen die Kooperationen mit Kindern und Jugendlichen einen besonderen Stellenwert gerade auch im Hinblick auf die Generationengerechtigkeit ein.
Seit drei Jahren stellen die Jugendlichen der Schülerfirma MIDENA vom Stift Sunnisheim in Sinsheim die Nisthilfen für das Steinkauzschutzprojekt her und leisten damit – wie auch mit vielen anderen Projekten – einen wertvollen Beitrag zum Artenschutz. Die Schüler der Schülerfirma haben sich selbst verpflichtet, 10 % des Gewinns an Naturschutzorganisationen zu spenden. Wir freuen uns sehr darüber, dass sie sich schon zwei Mal dazu entschieden haben, diese Spende dem BUND Dossenheim zu übergeben.
Darüber hinaus sensibilisieren wir im Rahmen unserer Kooperationen mit der evangelischen Kirchengemeinde sowie mit der Katholischen jungen Gemeinde (KjG) in kleineren Arbeitseinsätzen Jugendliche beider Konfessionen für die Notwendigkeit unseres Einsatzes für den Erhalt der Schöpfung. In diesem Rahmen entstanden auf unserer BUND-Streuobstwiese mit einer Benjeshecke sowie einer Hirschkäferwiege Lebensräume für unterschiedlichste Arten. In beiden Kirchen wurden Nistkästen für Dohlen, Turmfalken und Mauersegler installiert und gemeinsam gereinigt.