Am 18. Juli erzielte der BUND Landesverband einen großen Erfolg: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gab der Klage des BUND Baden-Württemberg gegen den umstrittenen Paragrafen 13b im Baugesetzbuch statt. Damit können nun Bebauungspläne nicht mehr ohne Umweltprüfung und ohne Ausgleichsmaßnahmen umgesetzt werden. Anlass der Klage war der Bebauungsplan im Gaiberger Neubaugebiet „Oberer Kittel/Wüstes Stück", für das – wie vielerorts auch – eine wertvolle Streuobstwiese am Ortsrand gerodet worden war. Die Vorsitzende des BUND Baden-Württemberg, Sylvia Pilarsky-Grosch, begrüßt das Urteil: „Deutsches Baurecht darf europäisches Umweltrecht nicht aushebeln. Daher freuen wir uns sehr über diese Entscheidung des obersten deutschen Verwaltungsgerichts. Denn § 13b BauGB hat dazu geführt, dass hier in Gaiberg, wie auch in vielen weiteren Kommunen, Baugebiete ohne Umweltprüfung ausgewiesen wurden. Gerade in Baden-Württemberg wurden dabei naturschutzfachlich wertvolle Gebiete wie etwa die Streuobstwiesen im Fall Gaiberg zerstört. Einmal mehr hat der BUND damit seine Rolle als Anwalt der Natur bewiesen. Dabei dürfen wir uns bei unseren Aktiven und die uns unterstützende Bürgerinitiative für ihren unermüdlichen Einsatz bedanken. Da Kommunen bisher noch bis Ende 2024 begonnene Verfahren zur Bebauung nach § 13b zu Ende führen durften, ist diesem Naturfrevel durch das Urteil nun ein Riegel vorgeschoben.“
Das Urteil hat bundesweite Bedeutung
Der den BUND vertretende Frankfurter Rechtsanwalt Dirk Teßmer ergänzt: „Das Urteil geht in seiner Bedeutung weit über den konkreten Fall hinaus. Da § 13b BauGB für europarechtswidrig befunden wurde, gilt das – deutschlandweit – auch für alle anderen Bebauungspläne, die im Verfahren nach § 13b BauGB aufgestellt wurden.“ Die Regionalgeschäftsführerin des BUND Rhein-Neckar-Odenwald, Dr. Bianca Räpple, freut sich ebenfalls über das Urteil und hofft, „dass Bebauung nunmehr endlich verstärkt im Innenbereich der Kommunen stattfindet und nicht mehr weiter auf der grünen Wiese unter Verlust wertvoller natürlicher Lebensräume“.
Was ist der § 13b BauGB?
Im Jahr 2017 wurde mit der Einführung des § 13b BauGB wurde die Möglichkeit geschaffen, in einem beschleunigten Verfahren im Außenbereich von Gemeinden Baugebiete auszuweisen. Das ursprüngliche Ziel, kostengünstigen Wohnraum zu schaffen, wurde jedoch laut aktuellen Studien weit verfehlt. Stattdessen nutzen viele Gemeinden die Vorzüge, wie reduzierte Umweltauflagen, den Verzicht auf Ausgleichsmaßnahmen und ein Absehen von der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung. Gleichzeitig hebelt der Paragraf wichtige Planungsinstrumente aus, wenn Bebauungspläne nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelt werden. Besonders problematisch an dem § 13b war, dass der ursprünglich bis Ende des Jahres 2019 befristete Paragraf auf Bundesebene eine Verlängerung auf unbestimmte Zeit erhalten sollte und Nachhaltigkeitszielen damit entschieden entgegengewirkt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte nun: § 13b war nicht mit geltendem EU-Recht vereinbar.
Ziel „Netto Null“?
„Vor allem die umfangreiche Anwendung des Paragrafen ist erschreckend“, so Räpple. „Immer mehr Fläche wird versiegelt und steht somit nicht mehr zur Aufnahme von klimarelevanten Gasen zur Verfügung, sondern trägt im Gegenteil noch zur Erwärmung bei. Auch wirkt man so dem Erhalt der biologischen Vielfalt entgegen.“ Denn Landschaften werden weiter zerschnitten und Lebensräume zerstört. Dörfer wachsen in die Fläche, während die Dorfkerne veröden. In ihrer Nachhaltigkeitsstrategie legte die Bundesregierung das Ziel fest, den Flächenverbrauch im Land bis 2030 auf 30 ha pro Tag zu beschränken, bis 2050 will man auf Netto Null sein. Auch der im Jahr 2021 geschlossenen Koalitionsvertrag der Landesregierung Baden-Württemberg schrieb fest, den Flächenverbrauch kurzfristig auf 2,5 Hektar pro Tag und bis 2035 auf Netto Null zu reduzieren. In den letzten Jahren wurden jedoch durchschnittlich zwischen fünf und sechs Hektar unbebauter Natur in Siedlungs- und Verkehrsflächen umgewandelt – Tendenz steigend.
Die bislang ergriffenen Maßnahmen – z. B. im Rahmen des freiwilligen Bündnisses zum Flächensparen – reichen also nicht aus, dieses Ziel wirksam umzusetzen. Deshalb haben sich mehr als 20 Umwelt-, Naturschutz- und Landwirtschaftsverbände, um einen Trägerkreis aus Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) Landesverband Baden-Württemberg, Landesnaturschutzverbund Baden-Württemberg (LNV), Landesbauernverband (LBV) und Badischer Landwirtschaftlicher Hauptverband (BLHV) zusammengeschlossen, um mit dem Volksantrag „Ländle leben lassen“ verbindliche Obergrenzen für den Neuverbrauch an Flächen zu erreichen und gesetzlich zu verankern.
Volksantrag „Ländle leben lassen“
Für den Volksantrag werden knapp 40.000 Unterschriften wahlberechtigter Bürgerinnen und Bürger Baden-Württembergs benötigt. Wird dieses Quorum innerhalb eines Jahres erreicht, so muss der Landtag über den Volksantrag beraten und die Initiatoren anhören. Unterschriften für einen Volksantrag müssen handschriftlich auf einem Papierformular geleistet werden. Eine digitale Unterzeichnung ist leider nicht möglich. Unterschriftenblätter gibt es bei allen Geschäftsstellen der Partner, auf Veranstaltungen, bei zahlreichen weiteren Sammelstellen oder online zum Ausdrucken. Das unterschriebene Dokument kann dann an die darauf angegebene Sammeladresse versendet oder in einer der mehr als 70 Sammelstellen abgegeben werden.
Bei einer ersten Zwischenbilanz zeigen sich die Initiatoren des Bündnisses zum Volksantrag „Ländle leben lassen“ hochzufrieden.
Seit dem Startschuss am 28. April sind rund 20.000 Unterschriftenblätter bei der zentralen Sammelstelle eingegangen. „Damit haben wir gut die Hälfte der erforderlichen Unterschriften bereits erreicht“, freut sich Sylvia Pilarsky-Grosch, Landesvorsitzende des BUND Baden-Württemberg.
Weitere Informationen sowie das Unterschriftenblatt finden Sie unter www.laendle-leben-lassen.de oder kann von uns, nach einer kurzen E-Mail an m.ziara@web.de, bezogen werden.