BUND OV Dossenheim

Kurzinformation zu Habitatansprüchen, Beständen und rechtlichen Schutzbestimmungen

Mehlschwalben (Delichon urbica) sind, wie einige andere Vogelarten auch, Kulturfolger, die Städte und Dörfer als Lebensraum nutzen. Gebäude und Bauwerke sind für sie „Ersatz-Felslandschaften“, die sie für ihre Niststandorte nutzen. Dabei sind sie sehr anpassungsfähig. Bruten sind sowohl an Häusern, Brücken, Ornamenten von Burgen und Schlössern, Fensternischen und Balkone, als auch an „Doppel-T“-Stahlträgern oder Schiffen nachgewiesen. Als Brutplätze bevorzugen sie meist ausreichend breite Dachüberstände ab 4 m Höhe mit einem freien An- und Abflug. Hohe Bäume in unmittelbarer Nähe meiden sie, da diese Prädatoren wie Sperber oder Wanderfalke einen idealen Ansitz bieten. 

Mehlschwalben sind ausgesprochene Koloniebrüter, können aber auch Einzelnester an Gebäuden besiedeln. Ihre Orts- und Nesttreue ist sehr ausgeprägt. Sie bauen lediglich neue Nester, wenn die bestehenden verloren gehen oder für sie nicht mehr nutzbar sind, z.B. wenn diese von Haussperlingen oder Wespen genutzt oder durch tote Jung- oder Altvögel blockiert werden.

Der Bestand der Mehlschwalben ist in Deutschland stark rückläufig. In den letzten 36 Jahren gingen sie um 44% zurück, so der Nationale Vogelschutzbericht, den der Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) und das Bundesamt für Naturschutz (BfN) 2019 veröffentlichten. Mehlschwalben werden daher in der Roten Liste der bestandsgefährdeten Brutvogelarten Deutschlands in der Kategorie 3 „gefährdet“ aufgeführt. In Baden-Württemberg steht sie auf der Vorwarnliste.

Zu dieser Bestandsentwicklung haben mehrere Faktoren beigetragen: Neben natürlichen Einflüssen, wie beispielsweise Schlechtwetterperioden war, ist es jedoch vor allem der Mensch, der durch Modernisierungen, Umnutzungen von Gebäuden, Biotopzerstörungen, dem Entfernen von Nestern, sowie dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln – bewusst oder unbewusst – die Abnahme von Beständen verantwortet. Insbesondere die – notwendigen – Klimaschutz- oder Sanierungsmaßnahmen an Gebäuden und Fassaden sind hier hervorzuheben. Gebäude und Fassaden werden gedämmt, verputzt oder mit schmutzabweisender Farbe gestrichen. Bei Neubauten werden oftmals Dachüberstände vermieden, glatte Fassade verwendet und Vergrämungsmaßnahmen eingeplant. Während der Brutzeit direkt vor besetzten Nestern montierte Baugerüste und Sicherungsnetze führen zur nachhaltigen Vergrämung. Auf diese Weise sinkt die Zahl der aktuellen und potenziellen Mehlschwalbenquartiere bis hin zur akuten Brutplatznot.

Ausgleichsmaßnahme für Haussperlinge und Mehlschwalben  (Michael Ziara)

Eine Abhilfe kann hierbei die Montage künstlicher Nisthilfen als Ergänzungs-, Ersatz- oder Ausgleichsmaßnahmen darstellen, die gemäß § 67 Abs. 3 Satz 2 BNatSchG teils als Ausgleichsmaßnahmen verpflichtend sind. Denn die Mehlschwalbe gehört in Deutschland zu den streng bzw. besonders geschützten Vogelarten. Der Schutz des Mehlschwalbenbestandes und ihrer Brutstätten ist u.a. in der Europäischen Vogelschutzrichtlinie (VSR 2009/147/EG) und dem BNatSchG (§ 10 Abs. 2 Nr. 10 BNatSchG) geregelt. Nach § 39 und § 44 des BNatSchG ist es verboten, Tiere „mutwillig zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu fangen, zu verletzen oder zu töten“ sowie „ohne vernünftigen Grund Lebensstätten wildlebender Tier- und Pflanzenarten zu beeinträchtigen oder zu zerstören". Die Unteren Naturschutzbehörden (UNB) sind gehalten, Verstöße gegen Bundesnaturschutzgesetz und Bundesartenschutzverordnung zu unterbinden bzw. zu ahnden.

Vielen ist dabei nicht bewusst, dass das Entfernen oder Abschlagen von Schwalbennestern eine Ordnungswidrigkeit ist. Werden besetzte Nester während der Brutzeit entfernt, wäre das zudem ein Straftatbestand gemäß Tierschutzgesetz, was mit bis zu 50.000 Euro Strafe geahndet werden kann. Auch darf den Tieren durch Baugerüste, Sicherungsnetze oder Ähnliches der Zugang zu ihren Nist- und Schlafplätzen nicht versperrt werden. Wenn solche Maßnahmen unvermeidbar sind, bedarf es einer Ausnahmegenehmigung der UNB. Durch diese können gemäß § 67 BNatSchG zu den in § 39 und § 44 genannten Verboten begründete Ausnahmen zugelassen werden.

Die Einhaltung der Naturschutzgesetze ist für Gebäudeeigentümer zwingend erforderlich, da das Grundgesetz zur Einhaltung gesetzlicher Grundlagen sogenannte „Sozialpflichtigkeit des Eigentums“, Artikel 14 verpflichtet und zudem im Jahr 1994 der Umweltschutz als Staatszielbestimmung in Artikel 20a aufgenommen wurde.

Das Naturschutzrecht schreibt eine Vorabprüfung vor, d.h. Bauherren, Planer und Handwerker sollten daher die Gebäude vor Beginn von Bauarbeiten sorgfältig untersuchen bzw. untersuchen lassen, ob Gebäudebrüter oder Fledermäuse von den Bauaktivitäten betroffen sind. Je nach Ergebnis sind dann entsprechende Maßnahmen einzuleiten bzw. das Vorhaben zu verschieben. Naturnester können nach bzw. vor der Brutzeit vom Haus entfernt werden, wenn diese adäquat (d.h. „1 zu 1“) für die nächste Brutsaison durch Kunstnester ersetzt werden. Wenn das Abschlagen von Naturnestern während der Brutzeit erfolgt, liegt ein Straftatbestand vor.

Wichtig: Das Aufstellen eines Schwalbenhauses oder ähnliche Artenschutzmaßnahmen in der Umgebung rechtfertigen das Entfernen der Nester im Nachhinein nicht. Daher sollten alle Maßnahmen im Vorfeld mit den Behörden abgestimmt und – falls erforderlich - eine Genehmigung eingeholt werden. Das betrifft insbesondere nachfolgende Fälle:

1. Gerüst- und Malerarbeiten während der Brutsaison, wenn sich Jungvögel im Nest befinden

Zwar handelt es sich hierbei um zulassungsfreie Gebäudesanierungen und nicht um Vorhaben im Sinne des § 44, Abs. 5 BNatSchG, dennoch sind artenschutzrechtliche Bestimmungen einzuhalten. Daher muss geprüft werden, ob durch die Maßnahme eine lokale Population erheblich beeinträchtigt wird. Der ungehinderte Anflug von belegten Nestern muss sichergestellt werden. Falls dies nicht möglich ist, sind diese Arbeiten in einen Zeitraum außerhalb der Brut- und Nistzeit zu verschieben. Bereits begonnene Arbeiten sind unverzüglich einzustellen und ebenfalls in einen Zeitraum außerhalb der Brut- und Nistzeit zu verschieben (ggf. nur für den betroffenen Gebäudeteil). Auch sind störende Arbeiten im direkten Nestumfeld zu vermeiden, weil sonst die Gefahr einer Vergrämung und Brutaufgabe besteht.

2. Gebäudesanierung im Winter bzw. außerhalb der Brut- und Nistzeit

Auch leere Nester sind Fortpflanzungsstätten im Sinne von § 44, Abs. 1, Ziffer 3, BNatSchG, sodass das Beschädigungsverbot gilt. In Ausnahmefällen ist eine Befreiung nach § 67 BNatSchG möglich, wenn die Nester eine „unzumutbare Belastung“ darstellen. Ob dies der Fall ist, entscheidet die UNB. Eine Genehmigung muss bei dieser beantragt werden.

3. Brut- und Lebensstätten können nicht bestehen bleiben

Die erforderlichen Maßnahmen sind im Vorfeld mit der UNB abzustimmen und die entsprechenden Genehmigungen einzuholen! Die Arbeiten am Bau sollten so koordiniert werden, dass beispielsweise die Vögel ihre Brut beenden können, bevor der entsprechende Gebäudeteil saniert wird. Störungen müssen im höchstmöglichen Umfang vermieden werden. In Einzelfällen können temporäre Ersatzmaßnahmen geschaffen werden, indem beispielsweise Vorrichtungen mit Kunstnester („Ersatzhauswände“) an das Gerüst montiert werden und danach Ersatzmaßnahmen bereitgestellt werden.

Grundsätzlich gilt:

Die Sanierungs- bzw. Bauarbeiten sollten möglichst vor oder nach der Brutzeit durchgeführt werden. Für die Mehlschwalben liegt diese Zeitspanne von Ende September bis Mitte April. Mitte April bis Ende Mai bzw. Anfang bis Ende September sind kritische Übergangszeiten, in denen die Sanierungs- oder Bauarbeiten nicht zu empfehlen sind.

Eigeninitiativen helfen Nistmöglichkeiten zu schaffen

Mit dem Hubwagen kommt man gut an die Dachkante heran  (Patricia Reister)

Viele Jahre hat Anne Laure Hofbeck mit ihren Kindern vom Fenster ihrer Wohnung in Dossenheim aus das Brutgeschehen der Mehlschwalben verfolgt und immer wieder bewundert, wie „dieser gerade mal 20 g leichte Vogel bis 20 000 km überwindet, Fressfeinde und Witterungen trotzt, über Sahara und Mittelmeer fliegt, um hier Jahr für Jahr zu brüten“. Beim Spaziergang durch den Ort wie selbstverständlich mit prüfendem Blick zu den bekannten Nistplätzen unter Dach- und Fassadenvorsprüngen geschaut, ob sie noch existieren und wieder besetzt sind. Dabei fiel ihr wie vielen anderen aufmerksamen Beobachtern in den letzten Jahren auf, dass der ein oder andere traditionelle Brutstandort verschwunden ist. Diese Beobachtung war für Anne-Laure Hofbeck die Motivation, den Dachvorsprung ihres Hauses durch die Anbringung von künstlichen Nisthilfen für Mehlschwalben attraktiv zu machen und damit einen aktiven Beitrag zum lokalen Mehlschwalbenschutz zu leisten. Für sie sind Schwalben „Boten des Glücks“ und ihre Rufe gehören zum Sommer einfach dazu. Die Nisthilfen samt Kotbretter, die 40 cm unterhalb des Nestes zum Auffangen des herabfallenden Kots montiert werden, waren schnell besorgt. Die Anbringung in luftiger Höhe unter dem Hausdach war dann schon etwas schwieriger. Hilfesuchend wand sie sich an den BUND OV Dossenheim. Durch den guten Kontakt zu einem unserer Kooperationspartner Markus Wolf, Inhaber der Garten- und Landschaftsbaufirma Wolf Garten und Landschaftsbau GbR in Ladenburg, konnte auf kurzem Dienstweg ein Hubsteiger samt Fahrer organisiert werden. Im Feierabend hat Jacek Andrejkow, Mitarbeiter, gemeinsam mit Michael Ziara acht Nisthilfen mit Kotbrettern fachgerecht vom Hubsteiger aus montiert. 

Ansprechpartner für Fragen

Michael Ziara

1. Vorsitzender BUND OV Dossenheim - Naturschutzreferent RV Rhein-Neckar-Odenwald
E-Mail schreiben Tel.: 06221/3545020